Liebe Gemeindemitglieder, liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde!

Für den 2. Advent sind zwei Verse aus dem Jakobusbrief (5,7f) als Predigttext vorgeschlagen:

   Seid geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des HERRN. Siehe, der Bauer wartet auf

   die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und

   Spätregen. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des HERRN ist nahe.

Derzeit wartet die gesamte Menschheit auf das Ende einer Pandemie oder zumindest auf die Kontrolle über sie. Sie muss sich dabei in Geduld üben. Das fällt alles andere als leicht. Der Druck ist groß. Nicht alle sind bereit, auf nachweislich wirksame und sichere Impfstoffe bzw. Medikamente zu warten.

Vor knapp 2000 Jahren, zur Zeit des Jakobus, wartet eine vergleichsweise kleine Gruppe von Menschen auch – nicht auf das Ende einer Pandemie, sondern auf das Ende der Welt und das Kommen des Messias.

Diesen Retter erkennen die kleinen Gemeinden in Jesus von Nazareth. Er, den sie Christus bzw. Heiland nennen, ist wenige Jahre zuvor aufgetreten, hat vom Reich Gottes gesprochen und eine bessere Zukunft verheißen. Seine Botschaft hat für große Unruhe gesorgt und ihm das Todesurteil am Kreuz eingebracht. Seine enttäuschten und desillusionierten Anhängerinnen und Anhänger sind wieder zuversichtlich:  Die Nachricht von Frauen, dass das Grab Christi leer vorfanden und er auferstanden sei, bestärkt sie.

„Fakenews“, rufen die Machthaber. Das, wofür Jesus steht, durchkreuzt ihre Pläne. Respekt gegenüber der unantastbaren Würde aller Menschen, umfassender Friede und Gerechtigkeit – das passt nicht in ihre Weltsicht. Denn wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben. Vergebung und Barmherzigkeit haben keinen Platz in ihrem Dasein. Doch jene, die Jesus erlebt haben, sind von seiner Botschaft überzeugt. Immer mehr Menschen können sie für das Evangelium begeistern. Jesus wird endgültig kommen und seine Verheißung des Reiches Gottes wahr machen.

Doch er ist nicht gekommen. Noch nicht. Und je länger es dauert, desto unruhiger sind die Christinnen und Christen. In den Gemeinden gibt es Streitereien. Manche ziehen sich enttäuscht zurück, andere suchen, eigene Vorstellungen zu verbreiten. Einerseits macht sich Ernüchterung darüber breit, dass Gottes Zukunft doch noch auf sich warten lässt. Auf der anderen Seite gibt es Druck und Drohungen seitens des römischen Staates. Menschen in der Nachfolge Jesu sehen sich mittlerweile der Verfolgung ausgesetzt.

Jakobus mahnt zu Geduld. Es gelte das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Materialismus und Egoismus dürfen nicht die Oberhand gewinnen. Menschlichkeit und Solidarität seien hingegen sichtbare Merkmale gelebten Glaubens. Jakobus vergleicht dabei die Situation christlicher Gemeinden mit der eines Bauern, der auf den nötigen Regen warten muss, damit er am Ende seine Ernte einfahren kann.

Das ist einfacher gesagt als getan. Vertröstung führt meist zu Resignation. Jakobus weiß das. Sein Brief – es lohnt sich, das Schreiben zur Gänze zu lesen – ist ein Plädoyer dafür, auf die Gegenwart Christi zu vertrauen. An ihr können wir uns festhalten, durch alle Sorgen, Zweifel und Krisen des Alltags hindurch. Sie verleiht der Gemeinschaft der Glaubenden Nachhaltigkeit.

„Das Kommen des HERRN ist nahe“ – Jakobus ist davon überzeugt, dass diese adventliche Nachricht dort aufleuchtet, wo Menschen sich gegenseitig im Glauben stärken, im Sinne Jesu einander annehmen, umeinander kümmern und miteinander für andere da sind. Sich dieser Aufgabe zu widmen, verwandelt die Zeit des Wartens zu einer erfüllenden und erfüllten Zeit…

Gesegnete adventliche Tage

wünscht Ihnen herzlichst Ihr Pfarrer Günter Wagner